Theoretische Linguistik
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Der menschliche Geist in uns ist neben dem gestirnten Himmel über uns wohl einer der faszinierendsten Gegenstände wissenschaftlicher Neugier überhaupt, und ein besonders klares Fenster auf den menschlichen Geist eröffnet die menschliche Sprache, die ein wesentliches Merkmal unserer Spezies in ihrer doppelten Prägung durch Biologie und Kultur darstellt. Insofern kommt der Theoretischen Linguistik eine Schlüsselrolle an der Schnittstelle von Natur- und Geisteswissenschaften zu, deren strikte Gegensätzlichkeit sich derzeit zunehmend in ein Zusammenwirken auflöst.

Als Disziplin der Grundlagenforschung hat die Theoretische Linguistik (TL) die menschliche Sprache schlechthin zum Gegenstand, und zwar so, wie sie sich in den beobachtbaren, rekonstruierbaren oder auch nur denkbaren Einzelsprachen der Welt in ihrer Vielfalt und Einheit, in ihrem Wandel und ihrer Konstanz manifestiert. Aufgabe der Theoretischen Linguistik ist es, durch Entwicklung entsprechender Theorien (a) das Verständnis zu vertiefen, das wir von Form, Inhalt und Gebrauch sprachlicher Zeichen haben, (b) Einsichten in die Architektur von Sprachen und ihren Teilsystemen zu gewinnen, das Zusammenspiel (c) zwischen sprachlichen und anderen Leistungen sowie (d) zwischen damit verbundenen individuellen und transindividuellen Eigenschaften unseres Geistes zu erhellen und so (e) einen Beitrag zu leisten zum Selbstverständnis des Menschen in seiner Spezifizität.

Zur Konzeption der Münchener Ausprägung der TL gehört die Annahme, daß es für die Theorienbildung fruchtbar ist, einzelsprachliche Fakten immer auch im Hinblick auf ihre Position im abstrakten Raum realer und möglicher Sprachen zu sehen, d.h. sie im Vergleich mit ähnlichen Erscheinungen in anderen, verwandten und nicht verwandten Sprachen zu analysieren und sie, sofern dies nützlich oder erforderlich erscheint, mit Hilfe formaler Repräsentationen zu modellieren. Beschreiben heißt auch vergleichen und erst aus dem Vergleich ergibt sich die Notwendigkeit und Möglichkeit von Erklärung.

Die Gegenstände linguistischer Theoriebildung im Einzelnen sind zum einen die verschiedenen Aspekte sprachlicher Zeichen und die entsprechenden Teile der Sprachsysteme: So behandeln Phonologie und Orthographie die wahrnehmbaren Gestalten (Lautkomplexe oder - in den Sprachen der Gehörlosen - Gebärden, sowie Schriftsymbole), alle anderen Subdisziplinen die erschließbaren Gehalte sprachlicher Zeichen. In Morphologie und Syntax geht es um die erschließbaren grammatischen Gehalte (Wort- und Phrasenstrukturen), in Semantik und Pragmatik um die erschließbaren Inhalte (Ausdrucks- und Äußerungsbedeutungen).

Die Lexikologie untersucht die Aspekte, wahrnehmbare wie erschließbare, elementarer Sprachzeichen (Wörter und Wendungen) und das von diesen gebildete System (Wortschatz), die Grammatik im weiteren Sinne befasst sich dagegen mit den Aspekten zusammengesetzter Zeichen (komplexe Wörter, Phrasen, Sätze, Diskurse und Texte) und deren System (Sprachschatz jenseits des Wortschatzes).

Gegenstände linguistischer Theoriebildung sind zum anderen Stabilität oder Veränderung all der genannten Phänomene im Laufe der Vorgeschichte und Geschichte der Sprachen. Die Historische Linguistik, die Theorie des Sprachwandels und die Theorie der Sprachevolution liefern wesentliche Beträge zum Verständnis des Phänomens Sprache.

Durch ihre Zielsetzung ist die TL interdisziplinär, nämlich auf Kooperation mit allen sprachbezogenen Disziplinen ausgerichtet und eignet sich somit auch im Studium zur Kombination mit weiteren auf Sprache gerichteten Fächern, nicht zuletzt denen der sprachbezogenen Informationstechnologie.

Gemäß ihrem frei nach Kant formulierten Motto kennt die Münchener TL auch keine Berührungsängste mit der Angewandten Linguistik, vielmehr geht sie davon aus, dass ein eingehendes Verständnis der theoretischen Grundlagen die beste Basis für eine erfolgreiche Praxis ist.

Verantwortlich für den Inhalt: Lehrstuhl für Theoretische Linguistik


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